© Oana Popa

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Geschichte

Die Vagantenbühne ist ein 1949 gegründetes, nahe dem Bahnhof Zoologischer Garten und dem Kurfürstendamm in der City West gelegenes Privattheater. Die Spielstätte verfügt über 100 Plätze und ist heute ein funktionaler Bau mit Studiocharakter. Seit 1980 wird die Vagantenbühne als gGmbH geführt.

Die Anfänge

Im zerstörten Nachkriegsberlin fand sich um Horst Behrend und Günter Rutenborn 1949 eine Gruppe von Schauspieler*innen ohne feste eigene Spielstätte zusammen. Das freie Ensemble gab sich den Namen „Vaganten“. Zur Eröffnungspremiere der Vaganten wurde programmatisch das christlich-religiöse Aufklärungsdrama „Auferstehung” von Günter Rutenborn gewählt.

Spielort der Uraufführung war ein Gemeindesaal der evangelischen Kirche. Die Vaganten traten „gesamtdeutsch“, d. h. im Osten wie im Westen, in Vereinshäusern, Festsälen und Kirchen auf, und im Sommer auch auf Freilichtbühnen.

Die kontinuierliche und sich professionalisierende Arbeit verlangte nach festen Strukturen und einer festen Spielstätte. Diese fanden die Vaganten 1956 im Souterrain des Delphi-Hauses an der Kantstraße.

Avantgarde-Theater

Ab Ende der fünfziger Jahre bestückte ein Bestseller das Repertoire der Vaganten für lange Zeit: Wolfgang Borcherts Heimkehrerdrama „Draußen vor der Tür”. Mit ihm gelang von der Bühne herunter eine exemplarische, unerbittliche Aufarbeitung der Grauen des Zweiten Weltkriegs. In diese Epoche geistigen Umbruchs fiel aber auch die Premiere von Sartres „Geschlossene Gesellschaft”. Andere Autoren des französischen Existentialismus folgten. Damit glückte den Vaganten gegen Ende ihres zehnjährigen Bestehens die Verwandlung von der Wanderbühne in das Avantgarde-Theater der Stadt Berlin.

Der Mauerbau 1961 bewirkte einen starken Einschnitt. Gastauftritte in der DDR konnten nicht mehr stattfinden und ehemalige Mitarbeiter*innen aus dem Ost-Teil Berlins mussten ersetzt werden. In den Jahren 1961 bis 1965 kamen zum Delphi-Haus zwei weitere Spielorte hinzu: in der Kreuzbergstraße das „Theater am Kreuzberg“ und in der damaligen Kongresshalle das „Theater an der Spree“.

Als gegen Ende der sechziger Jahre Horst Behrend erkrankte und für längere Zeit als Theaterchef ausfiel, besannen sich seine Mitarbeiter*innen allerdings auf das Herzstück in der Kantstraße. Zudem öffnete sich das Theater einer bisher unentdeckten Welt: dem Absurden. Eugène Ionesco, der in Frankreich lebende Rumäne, der mit Horst Behrend eng in Briefkontakt stand und später die Vaganten auch besuchte, war der Autor der Stunde.

Umbau und Neueröffnung

1979 starb der Gründer der Vagantenbühne, Horst Behrend, und seine Söhne Rainer und Jens-Peter Behrend übernahmen die Leitung. Mit einem engagierten Team wurde in den 1980er Jahren ein neues Profil entwickelt, das auf drei Grundzügen basierte: zeitgenössische Dramatik, Werke der klassischen Moderne und parodistisches Schauspiel. 1985 wurde das Theater für einen längst fälligen Umbau sieben Monate geschlossen und die Räumlichkeiten grundlegend saniert und modernisiert.

Im Zuge des Umbaus entstand eine moderne Studiobühne mit neuem Eingangs- und Kassenbereich, ansteigenden Sitzreihen und einem Foyer. Die Wiedereröffnung nach der Sanierung fand 1985 mit Athol Fugards „Master Harold ... and the boys” in der Regie von Rainer Behrend statt.

Politische Themen und Theaterpädagogik

Seit dem Ende der achtziger und in den neunziger Jahren profilierten sich die Vaganten mit einem Spielplan, der sich politischen Themen öffnete. Aber auch ein Komödienklassiker, der noch heute auf dem Spielplan steht, kam in diesem Zeitraum zu den Vaganten: Andreas Schmidt inszenierte 1997 die Farce „Shakespeares sämtliche Werke – leicht gekürzt”, die mit mehr als 1.500 meist ausverkauften Aufführungen und zahlreichen Gastspielen die wohl am häufigsten gespielte Produktion der Vaganten ist.

Die Vaganten suchten seit Anbeginn die Nähe zu Schulen, Universitäten und Ausbildungsinstitutionen. Unzählige Schüler*innen hatten ihre erste Begegnung mit dem „Abendtheater“ bei den Vaganten. Dementsprechend standen neben Stücken mit ausgesprochener Jugendproblematik auch Klassiker auf dem Programm, die vertiefende theaterpädagogische Betreuung erfuhren.

Mit dem Tod Rainer Behrends 2009 übernahm Jens-Peter Behrend die alleinige Leitung. 2012 wurde eine neue umfangreiche Sanierung des Theaters notwendig. Es wurden eine Klima-Anlage eingebaut sowie die Bestuhlung und die gesamte Bühnen- und Tontechnik erneuert, alle Räume renoviert und der Eingangsbereichs mit einer Überdachung versehen.

Produktive Jahre

Nach mehrmonatiger Umbaupause wurde das Theater im September 2012 mit einer Bühnenfassung von „La Strada” nach Fellinis Film wiedereröffnet. Eine kleine Auswahl der vielen Produktionen, die nach der Wiedereröffnung zu sehen waren, illustrieren die äußerst produktiven Jahre. So stieß 2012 die Regisseurin Bettina Rehm zu den Vaganten, die mit Stoffen von Yasmina Reza, Ayad Akhtar, Dennis Kelly u. a. dem Theater bis heute verbunden ist. Eine Vielzahl spannender Gegenwartsdramatiker*innen wie Löhle, Naber, Hübner, Weßling, Carnevali, Lausund, Hader u.v.m. wurden für die oder auch von den Vaganten entdeckt und schärften das Profil eines zeitgenössischen Theaters mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen.

2014 inszenierte erstmals Lars Georg Vogel bei den Vaganten und sollte in den Folgejahren das Programm durch seine Inszenierungen, u. a. „Der Untertan” und „Moby Dick”, wesentlich mitgestalten.

2015 wagten die Vaganten erstmals den Versuch, den natürlichen Beschränkungen ihrer Räumlichkeiten zu entgehen und schufen mit einer Adaption von Vicki Baums „Menschen im Hotel” die Form des „Theaterparcours”: Die Vorstellung beginnt bei den Vaganten, bevor die Zuschauer*innen, in Gruppen eingeteilt, gegenüber in das an der Fasanenstraße gelegene Hotel Savoy und dessen Zimmer geführt werden, wo sich die weitere Handlung abspielt.

70 Jahre Vaganten

2019 feierte die Vaganten Bühne ihr siebzigjähriges Bestehen. Es war zugleich das letzte Jahr unter der Intendanz von Jens-Peter Behrend, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Anfang 2020 übernahm Lars Georg Vogel die Geschäftsführung und künstlerische Leitung der Vagantenbühne.

70 Jahre Vaganten: Die Jubiläumszeitschrift

Die über siebzigjährige Geschichte unseres Hauses nahmen wir zum Anlass, eine Jubiläumspublikation herauszugeben.
Die Zeitschrift erhalten Sie kostenfrei bei uns im Haus oder hier zum Download:

➜ Download „70 Jahre Vaganten”